Ich glaube nicht
Hin und wieder geißl’ ich mich und geh’ hart mit mir ins GerichtUnd befrag’ mich hochnotpeinlich, ob ich glaube oder nicht.Nur ein bisschen Folter und schon erpress’ ich mir den Beweis,Dass ich erstens gar nichts glaube und zweitens gar nichts weiß.Ich glaub’ nur, daß, wenn es Ihn tatsächlich geben sollte,Er, was hier in Seinem Namen abgeht, gar nicht wollte!Erstmal glaub’ ich, dass die Weihwasserbeckenfrösche Ihn störenUnd die viel zu großen Häuser, die angeblich Ihm gehören.Glaubt ihr denn, Er ist auf Lakaien und Grundbesitz erpicht,Jasager und Immobilien? Ich glaube nicht!
Ich glaub’ nicht, wenn es Ihn wirklich gibt, daß Er’s überaus liebt,Dass sich jemand hartnäckig als Sein Stellvertreter ausgibtUnd sich für unfehlbar hält. Ich glaub’ nicht, dass es Ihm gefällt,Dass man Ihm krause Ansichten als „Sein Wille“ unterstellt.Ich verwette mein Gesäß: Brimborium und Geplänkel,Mummenschanz und Rumgeprotze geh'n Ihm auf den Senkel,Dieses Ringeküssen, diese selbstgefäll’gen Frömmigkeiten,Dies in-Seinem-Namen-Eselei’n-und-Torheiten-Verbreiten.Glaubt ihr, dass Er will, dass irgendwer an Seiner Stelle spricht,Irgend so ein kleines Licht? Ich glaube nicht!
Ich glaub’ nicht, dass Er in Seiner Weisheit, Seinem ew’gen RatSo was Abartiges ausgeheckt hat wie den Zölibat,Denn sonst hätt’ Er Sich zum Arterhalt was And'res ausgedachtUnd uns nicht so fabelhafte Vorrichtungen angebracht.Welch ein Frevel, daran rumzupfuschen, zu beschneiden,Zu verstümmeln! Statt sich dran zu erfreu’n, d'ran zu leiden!Und wenn Pillermann und Muschi nicht in den Masterplan passen,Glaubt ihr nicht, Er hätt’ sie schlicht und einfach weggelassen?Glaubst du, Mensch, armsel’ger Stümper, du überheblicher Wicht,Dass du daran rumschnippeln darfst? Ich glaube nicht!
Ich glaub’ nicht, dass Ihm der Höllenlärm etwas bedeutet,Wenn man in die göttliche Ruhe hinein die Glocken läutet.Ich bin sicher, dass Er es als schlimme Lästerung betrachtet,Wenn man, um Ihn zu bestechen, kleine Lämmerchen abschlachtet.Und Er muss sich sofort übergeben, denkt Er nur an's SchächtenOder an die schleim’gen Heuchler, an diese gottlosen Schlechten,Die scheinheilig die Kinderlein zu sich kommen lassenUnd ihnen in die Hose fassen!
Ich glaub’ nicht, dass Er in euren pompösen Palästen thront,Ich glaub eher, dass Er beim Geringsten meiner Brüder wohnt,Eher bei den Junkies, bei den Trebern im Park als in Rom,Eher in den Slums, den Schlachthöfen, den Ghettos als im Dom,Im Parterre bei Oma Krause, in der Aldi-Filiale,Eher auf dem Straßenstrich als in der Kathedrale,Wo Schiefköpfige, Händeknetende Schuldgefühle schüren,Eitel, selbstgerecht, als würden sie Ihn an der Leine führen.Eher als in eurer düst'ren, modrig-lustfeindlichen GruftSitzt Er unter freiem Himmel in der lauen, klaren LuftNeben mir auf der Bank vor der GartenlaubeBei einer Flasche Deidesheimer Herrgottsacker. Ja, ich glaube!Ja, ich glaube!