Die Schatten werden länger
[der Tod:]Zeit, dass wir uns endlich sprechen.Zeit, das Schweigen zu durchbrechen.Du kennst mich.Ja, du kennst mich!Weißt du noch, du warst ein Knabe,als ich dir versprochen habe,dass ich dirimmer nah bleib'.
[Rudolf:]O, ich hab' dich nie vergessen:Meinen Freund, nach dem ich rufe,wenn mich meine Ängste fressen...
[der Tod:]Ich kam, weil du mich brauchst
[der Tod & Rudolf:]Die Schatten werden länger,und doch bleiben alleblind und stumm.Zum Klang der Rattenfängertanzt man wildum's Goldne Kalb herum.Die Schatten werden länger!Es ist fünf vor zwölf!Die Zeit ist beinah um.
[Rudolf:]Zeit, den Riss der Welt zu sehen.Könnt' ich nur das Steuer drehen!Doch ich muß daneben stehen.Man bindetmir die Hände.
[der Tod:]Nichts ist schlimmer als zu wissen,wie das Unheil sich entwickelt,und in Ohnmacht zuseh'n müssen.
[Rudolf:]Es macht michvöllig krank!
[der Tod & Rudolf:]Die Schatten werden länger,und die Lieder werdenkalt und schrill.Der Teufelskreis wird enger,doch man glaubt nur,was man glauben will.Die Schatten werden länger!Es ist fünf vor zwölf!Warum hält jeder still?
[der Tod:]Was hält dich zurück?Dies ist der Augenblick!Greif nach der Macht!Tu es aus Notwehr!
[Rudolf:]Notwehr?
[der Tod & Rudolf mit Chor:]Die Schatten werden längerwas gescheh'n muss,das muss jetzt gescheh'n.Der Teufelskreis wird enger!Man muss dem Unheilwidersteh'n.Die Schatten werden länger!Kaiser Rudolf wirdder Zeit entgegengeh'n.