Die Siezgelegenheit
Hey, er sagt „Sie“ zu mir, das mach' ich auchDas ist ein fast vergessener BrauchIn meinen Kreisen sagt man „Du,Hey Alter, hör mal zu!“
Aber er hier bietet an,Dass ich ihn artig siezen kannDas ist die SiezgelegenheitUnd zwar die erste weit und breit
Diese Distanz gibt einem ZeitUnd adelt jede AlbernheitSagt man „Na, Sie sind mir ja einer“Wird die Distanz ein bißchen kleiner
Doch mit dem „Sie“ geht sie nie ganzSie trennt gekonnt den Hans vom FranzSagt man „Naja, ich bitte Sie“Übt man Kritik voll Harmonie
Man schließe halb die AugenliderHauche kokett „Ach, Sie nun wieder!“So klingt auch Billiges per SieEin wenig mehr nach Poesie
Er sagt „Sie“ zu mir, das mach' ich mitDas ist brisant wie DynamitDenn das erlaubt zwischen den ZeilenPikante Dinge mitzuteilen
Leicht transportiert man auf dem „Sie“Erotik und DiplomatieDas ist die SiezgelegenheitUnd ich bin heut' sehr siezbereit
Diese Distanz schafft nämlich PlatzFür'n zarten Unterton im SatzZum Beispiel „Ach, und wer war'n Sie“Klingt nach gekonnter Amnesie
Diese Distanz macht interessantUnd was man sonst gewöhnlich fand„Was bitte kann ich tun für Sie“Stimuliert wild die Fantasie
Durch die Distanz, da brennt die Luftbeim Tête-à-tête, Sie kleiner SchuftEr sagt „Sie“, das mach' ich auchDas ist ein wunderschöner Brauch
Ich steh' auf Sie, seit wir uns trafenWie ist es, wollen Sie mit mir schlafen?