Rainhard Fendrich "Leben" lyrics

Leben

Eingerahmt von freundlichen Fachwerkhäusern wiegt sich die Vergangenheit auf holprigen Kopfsteinpflaster in SicherheitHier und da riskiert die Sonne einen Strahl durch den gelben Industrienebel und zwingt den engen Gassen ein Lächeln abDer alte Dom protzt mit seiner Architektur, das Klicken der Fotoapparate scheint ihm zu gefallenDie Parolen von Freiheit und Frieden an seinen Mauern sind schon etwas verwaschen, Regen und Mißachtung haben ihnen arg zugesetzt – man könnte sie etwas auffrischen

An den Straßenecken stehen Musikanten, unrasiert in Tennisschuhen und zupfen auf ihren buntbemalten Gitarren; sie sind geduldetDer Kaffee schmeckt etwas dünn, und doch beginnt man sich zu freuenVergangenes wird beiseite geschoben, Vergessenes hervorgekramt, Zukünftiges verliert und Gegenwärtiges gewinnt an Bedeutungdie Tätigkeit eine Zigarette zu drehen und zu schauen befriedigt völligGedanken dürfen frei herumhängen, und man bemerkt, daß man sehr viel versäumt hatEs gehört eine Menge Mut dazu jung zu sein – hoffentlich haben wir genug davon denn, denn wir haben noch einiges vor

Noch haben wir die letzte Chance nicht versäumt, uns mit dem Leben zu versöhnenDer alte Zwang zu der Enthaltsamkeit vergeht, mit jedem Lächeln, das wir nehmenWir können noch so viel bereuen, wir wollen weinen, wollen schreienDer erste Schritt fällt uns vielleicht noch etwas schwer, doch kommen wir uns selbst entgegenMan atmet leichter, und das Hirn fühlt sich nicht leerWir bluten rascher, doch das trennt uns von den Trägen

Die Zeit der Tugend kommt bestimmt, wenn wir verfault, vermodert sindWir wollen uns in jedem Schoß zuhause fühlen, der zärtlich Lust und Wärme hegtDoch will uns lähmende Geborgenheit verhüllen, ist jede Leidenschaft dahin

Noch ist die Zeit, in der wir blühen und wachsen können, was schert uns Zucht und SicherheitNoch können wir uns die Vergänglichkeiten gönnen, zum Sterben bleibt uns sehr viel Zeit

Wir wollen uns noch rasch so viel von allem nehmen, wie wir zu tragfähig sindWir müssen uns vor unserem Gott bestimmt nicht schämen, denn um zu Leben waren wir bestimmt

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