Die Entführung aus dem Serail (libretto)
####################ERSTER AUFZUG####################
Ouvertüre
Platz vor dem Palast des Bassa am Ufer des Meers.
ERSTER AUFTRITTBelmonte allein.
Nr. 1 - Arie
BELMONTEHier soll ich dich dann sehen,Konstanze! dich mein Glück!Lass Himmel es geschehen!Gieb mir die Ruh zurück!Ich duldete der LeidenO Liebe! allzuviel!Schenk mir dafür nun FreudenUnd bringe mich ans Ziel.
Aber wie soll ich in den Palast kommen? - wie sie sehen? - wie sprechen?
ZWEITER AUFTRITTBelmonte, Osmin mit einer Leiter, welche er an einen Baum vor der Thüre des Palasts lehnt, hinauf steigt und Feigen abnimmt.
Nr. 2 - Lied und Duett
OSMINWer ein Liebchen hat gefunden,Die es treu und redlich meynt,Lohn' es ihr durch tausend Küsse,Mach' ihr all das Leben süsse,Sey ihr Tröster, sey ihr Freund.Trallalera, trallalera!
BELMONTEVielleicht dass ich durch diesen Alten etwas erfahre. - He, Freund! Ist das nicht das Landhaus des Bassa Selim?
OSMINsingt wie zuvor, während der ArbeitDoch sie treu sich zu erhalten,Schliess' er Liebchen sorglich ein:Denn die losen Dinger haschenJeden Schmetterling, und naschenGar zu gern von fremdem Wein.Trallalera, trallalera!
BELMONTEHe, Alter, he! hört ihr nicht? - Ist hier des Bassa Selim Palast?
OSMINsieht ihn an, dreht sich herum, und singt wie zuvorSonderlich bey'm Mondenscheine,Freunde, nehmt sie wohl in Acht!Oft lauscht da ein junges Herrchen,Kirrt und lockt das kleine Närrchen,Und dann, Treue, gute Nacht!Trallalera, trallalera!
BELMONTEVerwünscht seyst du samt deinem Liede!Ich bin dein Singen nun schon müde;So hör' doch nur ein einzig Wort!
OSMINWas Henker lasst ihr euch gelüsten,Euch zu ereifern, euch zu brüsten?Was wollt ihr? hurtig! ich muss fort.
BELMONTEIst das des Bassa Selims Haus?
OSMINDas ist des Bassa Selims Haus.will fort
BELMONTE.So wartet doch - -
OSMIN.Ich kann nicht weilen.
BELMONTE.Ein Wort ...
OSMIN.Geschwind! denn ich muss eilen.
BELMONTESeyd ihr in seinen Diensten, Freund?
OSMINIch bin in seinen Diensten, Freund.
BELMONTEWie kann ich den Pedrill wohl sprechen,Der hier in seinen Diensten steht?
OSMINDen Schurken? der den Hals soll brechen?Seht selber zu; wenns anders geht.will fort
BELMONTEfür sichWas für ein alter grober Bengel!
OSMINihn betrachtend, auch für sichDas ist just so ein Galgenschwengel.
BELMONTEzu ihmIhr irrt, es ist ein braver Mann.
OSMINSo brav, dass man ihn spiessen kann.
BELMONTEIhr müsst ihn wahrlich nicht recht kennen.
OSMINRecht gut. Ich liess' ihn heut verbrennen.
BELMONTEEs ist fürwahr ein guter Tropf!
OSMINAuf einen Pfahl gehört sein Kopf!
will fort
BELMONTESo bleibet doch!
OSMINWas wollt ihr noch.
BELMONTEIch möchte gerne ...
OSMINbitter höhnischSo hübsch von ferneUms Haus' rum schleichen,Und Mädchen stehlen?Fort, eures gleichenBraucht man hier nicht.
BELMONTEIhr seyd besessen!Sprecht voller GalleMir so vermessenIns Angesicht!
OSMINNur nicht in Eifer!
BELMONTESchont euren Geifer.
OSMINIch kenn' euch schon.
BELMONTELasst euer Drohn.
OSMINScheert euch zum Teufel -
BELMONTEEs bleibt kein Zweifel -
zusammen
OSMINIhr kriegt, ich schwöreSonst ohne GnadeDie Bastonade:Noch habt ihr Zeit.
stösst ihn fort
BELMONTEIhr seyd von Sinnen!Welch ein BetragenAuf meine Fragen!Seyd doch gescheid.
ab
DRITTER AUFTRITTOsmin, hernach Pedrillo.
OSMINalleinKönnt' ich mir doch noch so einen Schurken auf die Nase setzen, wie den Pedrillo; so einen Gaudieb, der Tag und Nacht nichts thut, als nach meinen Weibern herum zu schleichen, und zu schnobern, ob's nichts für seinen Schnabel setzt. Aber ich laure ihm sicher auf den Dienst, und wohl bekomm' dir die Prügelsuppe, wenn ich dich einmal beym Kanthaken kriege! - Hätt' er sich nur beym Bassa nicht so eingeschmeichelt, er sollte den Strick längst um den Hals haben.
PEDRILLONun, wie stehts, Osmin? Ist der Bassa noch nicht zurück?
OSMINSieh darnach, wenn du's wissen willst.
PEDRILLOSchon wieder Sturm im Kalender? - hast du das Gericht Feigen für mich gepflückt?
OSMINGift für dich, verwünschter Schmarotzer!
PEDRILLOWas in aller Welt ich dir nun gethan haben muss, dass du beständig mit mir zankst. Lass uns doch einmal Friede machen.
OSMINFriede mit dir? mit so einem schleichenden spitzbübischen Passauf, der nur spionirt, wie er mir eins versetzen kann? Erdrosseln möcht' ich dich! -
PEDRILLOAber sag nur, warum? warum?
OSMINWarum? - weil ich dich nicht leiden kann.
Nr. 3 - Arie
OSMINSolche hergelaufne LaffenDie nur nach den Weibern gaffen,Mag ich vor den Teufel nicht.Denn ihr ganzes Thun und LassenIst, uns auf den Dienst zu passen,Doch mich trügt kein solch Gesicht.Eure Tücken, eure Ränke,Eure Finten, eure Schwänke,Sind mir ganz bekannt.Mich zu hintergehen,Müsst ihr früh aufstehen,Ich hab' auch Verstand.Drum, beym Barte des Propheten!Ich studiere Tag und Nacht,Ruh nicht, bis ich dich sch' tödten,Nimm dich, wie du willst, in acht.
PEDRILLOWas bist du für ein grausamer Kerl, und ich hab dir nichts gethan.
OSMINDu hast ein Galgengesicht, das ist genug.
Erst geköpft,Dann gehangen,Dann gespiesstAuf heisse Stangen,Dann verbrannt,Dann gebundenUnd getaucht;Zuletzt geschunden.
geht ins Haus
VIERTER AUFTRITTPedrillo, hernach Belmonte.
PEDRILLOalleinGeh nur, verwünschter Aufpasser; es ist noch nicht aller Tage Abend. Wer weiss, wer den Andern überlistet; und dir misstrauischem gehässigem Menschenfeinde eine Grube zu graben, sollte ein wahres Fest für mich seyn.
BELMONTEPedrillo, guter Pedrillo!
PEDRILLOAch mein bester Herr! Ist's möglich? Sind Sie's wirklich? Bravo, Madam Fortuna, bravo! das heisst doch Wort gehalten! Schon verzweifelte ich, ob einer meiner Briefe Sie getroffen hätte.
BELMONTESag, guter Pedrillo, lebt meine Konstanze noch?
PEDRILLOLebt, und noch hoff' ich für Sie. Seit dem schrecklichen Tage, an welchem das Glück uns einen so hässlichen Streich spielte, und unser Schiff von den Seeräubern erobern liess, haben wir mancherley Drangsal erfahren. Glücklicher Weise traf sichs noch, dass der Bassa Selim uns alle drey kaufte: Ihre Konstanze nämlich, meine Blonde, und mich. Er liess uns sogleich hier auf sein Landhaus bringen. Donna Konstanze ward seine auserwählte Geliebte. -
BELMONTEAh! was sagst du?
PEDRILLONu, nur nicht so hitzig! Sie ist noch nicht in die schlimmsten Hände gefallen. Der Bassa ist ein Renegat, und hat noch so viel Delikatesse, keine seiner Weiber zu seiner Liebe zu zwingen; und so viel ich weis, spielt er noch immer den unerhörten Liebhaber.
BELMONTEWär es möglich? Wär Konstanze noch treu?
PEDRILLOSicher noch, lieber Herr! Aber wie's mit meinem Blondchen steht, weis der Himmel! das arme Ding schmachtet bey einem alten hässlichen Kerl, dem sie der Bassa geschenkt hat; und vielleicht - ach ich darf gar nicht dran denken! -
BELMONTEDoch nicht der alte Kerl, der so eben ins Haus gieng?
PEDRILLOEben der.
BELMONTEUnd diess ist der Liebling des Bassa?
PEDRILLOLiebling, Spion, und Ausbund aller Spitzbuben, der mich mit den Augen vergiften möchte, wenns möglich wäre.
BELMONTEO guter Pedrillo! was sagst du?
PEDRILLONur nicht gleich verzagt! Unter uns gesagt: ich hab' auch einen Stein im Brete beym Bassa. Durch mein bischen Geschick in der Gärtnerey hab' ich seine Gunst weggekriegt, und dadurch hab' ich so ziemlich Freyheit, die tausend Andere nicht haben würden. Da sonst jede Mannsperson sich entfernen muss, wenn eine seiner Weiber in Garten kommt, kann ich bleiben; sie reden so gar mit mir, und er sagt nichts darüber. Freylich mault der alte Osmin, besonders, wenn mein Blondchen ihrer Gebieterinn folgen muss.
BELMONTEIsts möglich? Du hast sie gesprochen? - O sag, sag! Liebt sie mich noch?
PEDRILLOHm! dass Sie daran zweifeln! Ich dächte, Sie kennten die gute Konstanze mehr als zu gut; hätten Proben genug ihrer Liebe. - Doch damit dürfen wir uns gar nicht aufhalten. Hier ist blos die Frage, wie's anzufangen ist, hier weg zu kommen?
BELMONTEO da hab' ich für alles gesorgt! Ich hab' hier ein Schiff in einiger Entfernung vom Hafen, das uns auf den ersten Wink einnimmt, und -
PEDRILLOAh, sachte, sachte! Erst müssen wir die Mädels haben, ehe wir zu Schiffe gehen; und das geht nicht so husch, husch! wie Sie meynen.
BELMONTEO lieber guter Pedrillo, mach nur, dass ich sie sehen, dass ich sie sprechen kann! Das Herz schlägt mir vor Angst und Freude! -
PEDRILLOPfiffig müssen wir das Ding anfangen, und rasch müssen wir's ausführen, damit wir den alten Aufpasser übertölpeln. Bleiben Sie hier in der Nähe. Jetzt wird der Bassa bald von einer Lustfahrt auf dem Wasser zurückkommen. Ich will Sie ihm als einen geschickten Baumeister vorstellen: denn Bauen und Gärtnerey sind seine Steckenpferde. Aber lieber goldner Herr, halten Sie sich in Schranken; Konstanze ist bey ihm -
BELMONTEKonstanze bey ihm? Was sagst du? Ich soll sie sehen?
PEDRILLOGemach, gemach ums Himmels willen, lieber Herr! sonst stolpern wir - Ah ich glaube, dort seh' ich sie schon angefahren kommen. Gehn Sie nur auf die Seite, wenn er kommt; ich will ihm entgegen gehen.geht ab
FÜNFTER AUFTRITTBelmonte allein.
Nr. 4 -Arie
BELMONTEKonstanze! dich wieder zu sehen - -O wie ängstlich, o wie feurigKlopft mein liebevolles Herz!Und des Wiedersehens ZähreLohnt der Trennung bangen Schmerz.Schon zittr' ich und wanke,Schon zag' ich und schwanke,Es hebt sich die schwellende Brust:Ist das ihr Lispeln?Es wird mir so bange;War das ihr Seufzen?Es glüht mir die Wange;Täuscht mich die Liebe, war es ein Traum?
PEDRILLOkömmt hurtig gelaufenGeschwind, geschwind auf die Seite und versteckt! Der Bassa kommt.Belmonte versteckt sich
SECHSTER AUFTRITTDer Bassa Selim und Konstanze kommen in einem Lustschiffe angefahren, vor welchem ein anderes Schiff mit Janitscharenmusik voraus landet. Die Janitscharen stellen sich am Ufer in Ordnung, stimmen folgenden Chor an, und entfernen sich dann.
Nr. 5 - Chor der Janitscharen
CHORSingt dem grossen Bassa Lieder,Töne, feuriger Gesang;Und vom Ufer halle wiederUnsrer Lieder Jubelklang!
EINE ODER ZWO STIMMEN
1.Weht ihm entgegen,Kühlende Winde,Ebne dich sanfter,Wallende Fluth!
2.Singt ihm entgegen,Fliegende Chöre,Singt ihm der LiebeFreuden in's Herz!
CHORSingt dem grossen Bassa Lieder,Töne, feuriger Gesang;Und vom Ufer halle wiederUnsrer Lieder Jubelklang!
Janitscharen ab
SIEBENTER AUFTRITTSelim, Konstanze.
SELIMImmer noch traurig, geliebte Konstanze? immer in Thränen? - Sieh, dieser schöne Abend, diese reizende Gegend, diese bezaubernde Musik, meine zärtliche Liebe für dich - Sag', kann nichts von allem dich endlich beruhigen, endlich dein Herz rühren? - Sieh, ich könnte befehlen, könnte grausam mit dir verfahren, dich zwingen -
Konstanze seufzt
SELIMAber nein, Konstanze; dir selbst will ich dein Herz zu danken haben - dir selbst -
KONSTANZEGrossmüthiger Mann! o dass ich es könnte! dass ichs erwiedern könnte - aber -
SELIMSag, Konstanze, sag, was hält dich zurück?
KONSTANZEDu wirst mich hassen.
SELIMNein, ich schwöre dir's. Du weisst, wie sehr ich dich liebe, wie viel Freyheit ich dir vor allen meinen Weibern gestatte; dich wie meine Einzige schätze -
KONSTANZEO so verzeih!
Nr. 6 - Arie
KONSTANZEAch, ich liebte,War so glücklich,Kannte nicht der Liebe Schmerz!Schwur ihm TreueDem Geliebten,Gab dahin mein ganzes Herz:Doch wie bald schwand meine Freude,Trennung war mein banges Loos;Und nun schwimmt mein Aug' in Thränen,Kummer ruht in meinem Schoos.
Während des Gesanges geht der Bassa unwillig hin und her.
KONSTANZEAch, ich sagt' es wohl, du würdest mich hassen. Aber verzeih, verzeih dem liebekranken Mädchen! - Du bist ja so grossmüthig, so gut - Ich will dir dienen, deine Sklavinn seyn, bis ans Ende meines Lebens: nur verlange nicht ein Herz von mir, das auf ewig versagt ist -
SELIMHa, Undankbare! Was wagst du zu bitten?
KONSTANZETödte mich, Selim, tödte mich! nur zwinge mich nicht, meineidig zu werden - Noch zuletzt, wie mich der Seeräuber aus den Armen meines Geliebten riss, schwur ich aufs feyerlichste -
SELIMHalt ein! nicht ein Wort! Reize meinen Zorn nicht noch mehr. Bedenke, dass du in meiner Gewalt bist -
KONSTANZEIch bin es: aber du wirst dich ihrer nicht bedienen, ich kenne dein gutes, dein mitleidvolles Herz. Hätte ichs sonst wagen können, dir das meinige zu entdecken? -
SELIMWag es nicht, meine Güte zu missbrauchen -
KONSTANZENur Aufschub gönne mir, Herr! Nur Zeit, meinen Schmerz zu vergessen -
SELIMWie oft schon gewährt ich dir diese Bitte -
KONSTANZENur noch diesmal!
SELIMEs sey! zum letztenmale! - Geh, Konstanze, geh! Besinne dich eines Bessern, und morgen -
KONSTANZEim AbgehnUnglückliches Mädchen! O Belmonte, Belmonte!
ACHTER AUFTRITTSelim, Pedrillo, Belmonte.
SELIMIhr Schmerz, ihre Thränen, ihre Standhaftigkeit bezaubern mein Herz immer mehr, machen mir ihre Liebe nur noch wünschenswerther. Ha! wer wollte gegen ein solches Herz Gewalt brauchen? - Nein, Konstanze, nein, auch Selim hat ein Herz; auch Selim kennt Liebe -
PEDRILLOHerr! verzeih, dass ich es wage, dich in deinen Betrachtungen zu stören -
SELIMWas willst du, Pedrillo?
PEDRILLODieser junge Mann, der sich in Italien mit vielem Fleiss auf die Baukunst gelegt, hat von deiner Macht, von deinem Reichthum gehört, und kommt her, dir als Baumeister seine Dienste anzubieten.
BELMONTEHerr! könnte ich so glücklich seyn, durch meine geringen Fähigkeiten deinen Beyfall zu verdienen.
SELIMHm! Du gefällst mir. Ich will sehen, was du kannst. -zum PedrilloSorge für seinen Unterhalt. Morgen werde ich dich wieder rufen lassen.geht ab
NEUNTER AUFTRITTBelmonte, Pedrillo.
PEDRILLOHa! Triumph, Triumph, Herr! der erste Schritt war gethan.
BELMONTEAch lass mich zu mir selbst kommen! - Ich habe sie gesehen, hab' das gute treue beste Mädchen gesehen! - O Konstanze, Konstanze! Was könnt' ich für dich thun, was für dich wagen?
PEDRILLOHa! gemach, gemach, bester Herr! Stimmen Sie den Ton ein bischen herab; Verstellung wird uns weit bessere Dienste leisten. Wir sind nicht in unserm Vaterlande. Hier fragen sie den Henker darnach, ob's einen Kopf mehr oder weniger in der Welt giebt. Bastonade und Strick um Hals sind hier wie ein Morgenbrod.
BELMONTEAch, Pedrillo! wenn du die Liebe kenntest -
PEDRILLOHm! Als wenn's mit unser einem gar nichts wäre. Ich habe so gut meine zärtlichen Stunden als andere Leute. Und denken Sie denn, dass mir's nicht auch im Bauche grimmt, wenn ich mein Blondchen von so einem alten Spitzbuben, wie der Osmin ist, bewacht sehen muss?
BELMONTEO wenn es möglich wäre, sie zu sprechen -
PEDRILLOWir wollen sehen, was zu thun ist. Kommen Sie nur mit mir in Garten: aber um alles in der Welt, vorsichtig und fein. Denn hier ist alles Aug und Ohr.
Sie wollen in den Palast, Osmin kommt ihnen in der Thür' entgegen, und hält sie zurück.
ZEHNTER AUFTRITTVorige, Osmin.
OSMINWohin?
PEDRILLOHinein!
OSMINzu BelmonteWas will das Gesicht? - Zurück mit dir, zurück!
PEDRILLOHa, gemach, Meister Grobian, gemach! er ist in des Bassa Diensten.
OSMINIn des Henkers Diensten mag er seyn! Er soll nicht herein!
PEDRILLOEr soll aber herein!
OSMINKommt mir nur einen Schritt über die Schwelle -
BELMONTEUnverschämter! Hast du nicht mehr Achtung für einen Mann meines Standes?
OSMINEy, ihr mögt mir vom Stande seyn! - Fort, fort, oder ich will euch Beine machen.
PEDRILLOAlter Dummkopf! Es ist ja der Baumeister, den der Bassa angenommen hat.
OSMINMeinethalben sey er Stockmeister: nur komm er mir hier nicht zu nahe. Ich müsste nicht sehen, dass es so ein Kumpan deines Gelichters ist, und dass das so eine abgeredte Karte ist, uns zu überlisten. Der Bassa ist weich wie Butter, mit dem könnt ihr machen, was ihr wollt: aber ich habe eine feine Nase. Gaunerey ist's um den ganzen Kram, mit euch fremden Gesindel; und ihr abgefeimten Betrüger habt lange euer Plänchen angelegt, eure Pfiffe auszuführen. aber wart ein bischen! Osmin schläft nicht. Wär' ich Bassa, ihr wär't längst gespiesst. - Ja! schneid't nur Gesichter, lacht nur hönisch in Bart hinein!
PEDRILLOEreifere dich nicht so, Alter; es hilft dir doch nichts. Sieh, so eben werden wir hinein spatzieren.
OSMINHa! das will ich sehen!stellt sich vor die Thüre.
PEDRILLOMach keine Umstände. -
BELMONTEWeg, Niederträchtiger!
Nr. 7 - Terzett
OSMINMarsch! Marsch! Marsch! trollt euch fort!Sonst soll die BastonadeEuch gleich zu Diensten stehn.
BELMONTE UND PEDRILLOEy, ey! Das wär ja Schade,So mit uns umzugehn.
OSMINKommt mir nicht näher.
BELMONTE UND PEDRILLOWeg von der Thüre.
OSMINSonst schlag' ich drein.
BELMONTE UND PEDRILLOWir gehn hinein.
Sie drängen ihn von der Thüre weg.
OSMINMarsch, fort!
BELMONTE UND PEDRILLOPlatz, fort!
OSMINIch schlage drein!
BELMONTE UND PEDRILLOWir gehn hinein!
Sie stossen ihn weg und gehn hinein.
########################ZWEITER AUFZUG########################
Garten am Palast des Bassa Selim; an der Seite Osmins Wohnung.
ERSTER AUFTRITTOsmin, Blonde.
BLONDEO des Zankens, Befehlens und Murrens wird auch kein Ende! Einmal für allemal: das steht mir nicht an! Denkst du alter Murrkopf etwa eine türkische Sklavinn vor dir zu haben, die bey deinen Befehlen zittert? o da irrst du dich sehr! Mit europäischen Mädchen springt man nicht so herum; denen begegnet man ganz anders.
Nr. 8 - Arie
BLONDEDurch Zärtlichkeit und Schmeicheln,Gefälligkeit und Scherzen,Erobert man die HerzenDer guten Mädchen leicht:Doch mürrisches BefehlenUnd Poltern, Zanken, PlagenMacht, dass in wenig TagenSo Lieb' als Treu entweicht.
OSMINEy seht doch mal, was das Mädchen vorschreiben kann! Zärtlichkeit! Schmeicheln! - Es ist mir wie pure Zärtlichkeit! - Wer Teufel hat dir das Zeug in Kopf gesetzt? - Hier sind wir in der Türkey, und da gehts aus einem andern Tone. Ich dein Herr; du meine Sklavinn; ich befehle, du musst gehorchen!
BLONDEDeine Sklavinn? ich deine Sklavinn! - Ha! ein Mädchen eine Sklavinn! Noch einmal sag mir das, noch einmal!
OSMINfür sichIch möchte toll werden, was das Mädchen für ein starrköpfiges Ding ist.lautDu hast doch wohl nicht vergessen, dass dich der Bassa mir zur Sklavinn geschenkt hat?
BLONDEBassa hin, Bassa her! Mädchen sind keine Waare zum Verschenken! Ich bin eine Engländerinn, zur Freyheit gebohren; und trotz jedem, der mich zu etwas zwingen will!
OSMINbey SeiteGift und Dolch über das Mädchen! - Beym Mahomet! sie macht mich rasend. - Und doch lieb ich die Spitzbübinn, trotz ihres tollen Kopfes!lautIch befehle dir augenblicklich, mich zu lieben.
BLONDEHahaha! Komm mir nur ein wenig näher, ich will dir fühlbare Beweise davon geben.
OSMINTolles Ding! Weisst du, dass du mein bist, und ich dich dafür züchtigen kann?
BLONDEWag's nicht, mich anzurühren, wenn dir deine Augen lieb sind.
OSMINWie? du unterstehst dich -
BLONDEDa ist was zu unterstehen? Du bist der Unverschämte, der sich zu viel Freyheit heraus nimmt. So ein altes hässliches Gesicht untersteht sich, einem Mädchen wie ich, jung, schön, zur Freude geboren, wie einer Magd zu befehlen! Wahrhaftig, das stünde mir an! uns gehört das Regiment; ihr seyd unsre Sklaven, und glücklich, wenn ihr Verstand genug habt, euch die Ketten zu erleichtern.
OSMINBey meinem Bart, sie ist toll! Hier hier in der Türkey?
BLONDETürkey hin, Türkey her! Weib ist Weib, sie sey wo sie wolle! Sind eure Weiber solche Närrinnen, sich von euch unterjochen zu lassen, desto schlimmer für sie; in Europa verstehen sie das Ding besser. Lass mich nur einmal Fuss hier gefasst haben, sie sollen bald anders werden.
OSMINBeym Alla! die wär' im Stande uns allen die Weiber rebellisch zu machen - Aber -
BLONDEAufs Bitten müsst ihr euch legen, wenn ihr etwas von uns erhalten wollt; besonders Liebhaber deines Gelichters.
OSMINFreylich, wenn ich Pedrillo wär', so ein Drathpüppchen wie er, da wär' ich vermuthlich willkommen; denn euer Mienenspiel hab' ich lange weg.
BLONDEErrathen, guter Alter, errathen! das kannst du dir wohl einbilden, dass mir der niedliche Pedrillo lieber ist, wie dein Blasbalggesicht. Also wenn du klug wärst -
OSMINSollt' ich dir die Freyheit geben, zu thun und zu machen, was du wolltest? He?
BLONDEBesser würdest du immer dabey fahren: denn so wirst du sicher betrogen.
OSMINGift und Dolch! Nun reisst mir die Gedult! den Augenblick hinein ins Haus! Und wo du's wagst -
BLONDEMach' mich nicht zu lachen.
OSMINIns Haus, sag' ich!
BLONDENicht von der Stelle!
OSMINMach' nicht, dass ich Gewalt brauche.
BLONDEGewalt werd' ich mit Gewalt vertreiben. Meine Gebietherinn hat mich hier in Garten bestellt; sie ist die Geliebte des Bassa, sein Augapfel, sein Alles; und es kostet mir ein Wort, so hast du funfzig auf die Fusssohlen. Also geh -
OSMINfür sichDas ist ein Satan. Ich muss nachgeben, so wahr ich ein Muselmann bin; sonst könnte ihre Drohung eintreffen.
Nr. 9 - Duett
OSMINIch gehe, doch rathe ich dirDen Schurken Pedrillo zu meiden.
BLONDEO pack' dich, befiehl' nicht mit mir,Du weist ja, ich kann es nicht leiden.
OSMINVersprich mir - -
BLONDEWas fällt dir da ein!
OSMINZum Henker - -
BLONDEFort, lass mich allein.
OSMINWahrhaftig kein'n Schritt von der Stelle,Bis du zu gehorchen mir schwörst.
BLONDENicht so viel, du armer Geselle,Und wenn du der Grossmogul wärst.
zusammen jedes für sich
OSMINO Engländer! seyd ihr nicht Thoren,Ihr lasst euren Weibern den Willen,Wie ist man geplagt und geschoren,Wenn solch' eine Zucht man erhält!
BLONDEEin Herz, so in Freyheit geboren,Lässt niemals sich sklavisch behandeln;Bleibt, wenn schon die Freyheit verloren,Noch stolz auf sie, lachet der Welt.
BLONDENun troll' dich.
OSMINSo sprichst du mit mir?
BLONDENicht anders.
OSMINNun bleib ich erst hier.
BLONDEstösst ihn fortEin andermal, itzt musst du gehen.
OSMINWer hat solche Frechheit gesehen!
zusammen
BLONDEstellt sich als wollte sie ihm die Augen auskratzenEs ist um die Augen geschehen,Wofern du noch länger verweilst.
OSMINfurchtsam zurückweichendNur ruhig, ich will ja gern gehen,Bevor du gar Schläge ertheilst.geht ab
ZWEITER AUFTRITTBlonde, Konstanze.
BLONDEWie traurig das gute Mädchen daher kommt! Freylich thut's weh, den Geliebten zu verlieren und Sklavinn zu seyn. Es geht mir wohl auch nicht viel besser; aber ich habe doch noch das Vergnügen, meinen Pedrillo manchmal zu sehen, obs gleich auch mager und verstohlen genug geschehen muss: doch wer kann wider den Strom schwimmen!
KONSTANZEohne Blonden zu bemerken.
Nr. 10 - Rezitativ und Arie
Welcher Wechsel herrscht in meiner SeeleSeit dem Tag, da uns das Schicksal trannte!O Belmont! hin sind die Freuden,Die ich sonst an deiner Seite kannte!Banger Sehnsuchts LeidenWohnen nun dafür in der beklemmten Brust.
Traurigkeit ward mir zum Loose,Weil ich dir entrissen bin.Gleich der wurmzernagten Rose,Gleich dem Gras im Wintermoose,Welkt mein banges Leben hin.Selbst der Luft darf ich nicht sagenMeiner Seele bittern Schmerz;Denn, unwillig ihn zu tragen,Haucht sie alle meine KlagenWieder in mein armes Herz.
BLONDEAch mein bestes Fräulein! noch immer so traurig?
KONSTANZEKannst du fragen, der du meinen Kummer weisst? - Wieder ein Abend, und noch keine Nachricht, noch keine Hofnung! - Und morgen - ach Gott! ich darf nicht daran denken.
BLONDEHeitern Sie sich wenigstens ein bischen auf. Sehn Sie, wie schön der Abend ist, wie blühend uns alles entgegen lacht, wie freudig uns die Vögel zu ihrem Gesang einladen! Verbannen Sie die Grillen, und fassen Sie Muth!
KONSTANZEWie glücklich bist du, Mädchen, bey deinem Schicksal so gelassen zu seyn! O dass ich es auch könnte!
BLONDEDas steht nur bey Ihnen, hoffen Sie -
KONSTANZEWo nicht der mindeste Schein von Hoffnung mehr zu erblicken ist?
BLONDEHören Sie nur: ich verzage mein Lebtage nicht, es mag auch eine Sache noch so schlimm aussehen. Denn wer sich immer das schlimmste vorstellt, ist auch wahrhaftig am schlimmsten dran.
KONSTANZEUnd wer sich immer mit Hoffnung schmeichelt, und zuletzt betrogen sieht, hat alsdenn nichts mehr übrig als die Verzweiflung.
BLONDEJedes nach seiner Weise. Ich glaube bey der meinigen am besten zu fahren. Wie bald kann ihr Belmont mit Lösegeld erscheinen, oder uns listiger Weise entführen? Wären wir die ersten Frauenzimmer, die den türkischen Vielfrassen entkämen? - Dort seh' ich den Bassa.
KONSTANZELass uns ihm aus den Augen gehn.
BLONDEZu spät. Er hat sie schon gesehen. Ich darf aber getrost aus dem Wege trollen, er schafte mich ohnehin fort. Im Weggehen. Kourage! wir kommen gewiss noch in unsre Heimath.
DRITTER AUFTRITTKonstanze, Selim.
SELIMNun Konstanze, denkst du meinem Begehren nach? Der Tag ist bald verstrichen, Morgen musst du mich lieben, oder -
KONSTANZEMuss? welch albernes Begehren! als ob man die Liebe anbefehlen könnte, wie eine Tracht Schläge! - - Aber freylich wie ihr Türken zu Werke geht, lässt sichs auch allenfalls befehlen - Aber ihr seyd würklich zu beklagen. Ihr kerkert die Gegenstände eurer Begierden ein und seyd zufrieden eure Lüste zu büssen.
SELIMUnd glaubst du etwan, unsre Weiber wären weniger glücklich, als ihr in euren Ländern?
KONSTANZEDie nichts bessers kennen!
SELIMAuf diese Art wäre wohl keine Hofnung, dass du je anders denken wirst.
KONSTANZEHerr! Ich muss dir frey gestehn - - - denn was soll ich dich länger hinhalten, mich mit leerer Hofnung schmeicheln, dass du dich durch mein Bitten erweichen liessest - - Ich werde stets so denken wie itzt; dich verehren, aber - - lieben? Nie.
SELIMUnd du zitterst nicht vor der Gewalt, die ich über dich habe?
KONSTANZENicht im geringsten. Sterben ist alles, was ich zu erwarten habe, und je eher dies geschieht, je lieber wird es mir seyn.
SELIMElende! Nein! Nicht sterben, aber Martern von allen Arten - - -
KONSTANZEAuch die will ich ertragen; du schreckst mich nicht, ich erwarte alles.
Nr. 11 - Arie
KONSTANZEMartern aller ArtenMögen meiner warten,Ich verlache Qual und Pein.Nichts soll mich erschüttern,Nur dann würd' ich zittern,Wenn ich untreu könnte seyn.Lass dich bewegen,Verschone mich!Des Himmels SegenBelohne dich!Doch du bist entschlossen.Willig, unverdrossenWähl' ich jede Pein und Noth.Ordne nur, gebiethe,Lärme, tobe, wüthe,Zuletzt befreyt mich doch der Tod.
geht ab
VIERTER AUFTRITTSelim, allein.
SELIMIst das ein Traum? Wo hat sie auf einmal den Muth her, sich so gegen mich zu betragen? Hat sie vielleicht Hofnung, mir zu entkommen? Ha! das will ich verwehren! Will fort. Doch das ist's nicht, dann würde sie sich eher verstellen, mich einzuschläfern suchen - - - Ja! es ist Verzweiflung! mit Härte richt' ich nichts aus - mit Bitten auch nicht - - also, was Drohen und Bitten nicht vermögen, soll die List zuwege bringen.geht ab
FÜNFTER AUFTRITTBlonde, allein.
BLONDEKein Bassa, keine Konstanze mehr da? Sind sie mit einander eins worden? - - Schwerlich, das gute Kind hängt zu sehr an ihrem Belmont! ich bedaure sie von Grund meines Herzens. Sie ist zu empfindsam für ihre Lage. Freylich, hätt' ich meinen Pedrillo nicht an der Seite, wer weiss, wie mir's gienge! doch würd' ich nicht so zärteln wie sie. Die Männer verdienen's warlich nicht, dass man ihrenthalben sich zu todte grämt. - - Vielleicht würd' ich muselmännisch denken.
SECHSTER AUFTRITTBlonde, Pedrillo.
PEDRILLOBst, Bst! Blondchen! Ist der Weg rein?
BLONDEKomm nur, komm! Der Bassa ist wieder zurück. Und meinem Alten habe ich eben den Kopf ein bischen gewaschen. Was hast du denn?
PEDRILLOO Neuigkeiten, Neuigkeiten, die dich entzücken werden.
BLONDENun? hurtig heraus damit!
PEDRILLOErst, liebes Herzensblondchen, lass dir vor allen Dingen einen recht herzlichen Kuss geben: du weisst ja, wie gestohlnes Gut schmeckt.
BLONDEPfuy, pfuy! Wenn das deine Neuigkeiten alle sind -
PEDRILLONärrchen, mach darum keinen Lärm: der alte spitzbübische Osmin lauert uns sicher auf den Dienst.
BLONDENun? und die Neuigkeiten? -
PEDRILLOSind, dass das Ende unsrer Sklaverey vor der Thüre ist.er sieht sich sorgfältig umBelmonte, Konstanzens Geliebter, ist angekommen; und ich hab' ihn unter dem Namen eines Baumeisters hier im Palast eingeführt.
BLONDEAh was sagst du? Belmonte da?
PEDRILLOMit Leib und Seele!
BLONDEHa! das muss Konstanze wissen!will fort
PEDRILLOHör' nur, Blondchen, hör' nur erst: Er hat ein Schif hier in der Nähe in Bereitschaft, und wir haben beschlossen, euch diese Nacht zu entführen.
BLONDEO allerliebst, allerliebst! Herzens-Pedrillo! das verdient einen Kuss. Geschwind, geschwind zu Konstanzen!
PEDRILLOHalt nur, halt, und lass erst mit dir reden. Um Mitternacht kommt Belmonte mit einer Leiter zu Konstanzens Fenster, und ich zu dem deinigen; und dann gehts heidi davon!
BLONDEO vortreflich! Aber Osmin?
PEDRILLOHier ist ein Schlaftrunk für den alten Schlaukopf, den misch ihm fein manierlich ins Getränke; verstehst du? Ich habe dort auch schon ein Fläschchen angefüllt. Geht's hier nicht, wird's dort wohl gehen.
BLONDESorg' nicht für mich! - Aber kann Konstanze ihren Geliebten nicht sprechen?
PEDRILLOSobald es vollends finster ist, kommt er hier in Garten. Nun geh' und bereite Konstanzen vor; ich will hier Belmonten erwarten. Leb wohl, Herzchen; leb wohl!
BLONDELeb wohl, guter Pedrillo! Ach, was werd ich für Freude anrichten!
Nr. 12 - Arie
BLONDEWelche Wonne, welche LustHerrscht nunmehr in meiner Brust!Ohne Aufschub will ich springenUnd ihr gleich die Nachricht bringen;Und mit Lachen und mit ScherzenIhrem schwachen, feigen HerzenFreud and Jubel prophezeihn.
geht fort
SIEBENTER AUFTRITTPedrillo, allein.
PEDRILLOAh, dass es schon vorbey wäre! dass wir schon auf offner See wären, unsre Mädels im Arm, und diess verwünschte Land im Rücken hätten! Doch sey's gewagt; entweder itzt oder niemals. Wer zagt, verliert!
Nr. 13 - Arie
PEDRILLOFrisch zum Kampfe!Frisch zum Streite!Nur ein feiger Tropf verzagt.Sollt' ich zittern?Sollt' ich zagen?Nicht mein LebenMuthig wagen?Nein, ach nein, es sey gewagt!Frisch zum Kampfe!Frisch zum Streite!Nur ein feiger Tropf verzagt.
ACHTER AUFTRITTPedrillo, Osmin.
OSMINHa! Geht's hier so lustig zu? Es muss dir verteufelt wohl gehen.
PEDRILLOEy, wer wird so ein Kopfhänger seyn; es kommt beym Henker da nichts bey heraus! das haben die Pedrillos von jeher in ihrer Familie gehabt. Fröhlichkeit und Wein versüsst die härteste Sklaverey. Freylich könnt ihr armen Schlucker das nicht begreifen, dass es so ein herrlich Ding um ein Gläschen guten alten Lustigmacher ist. Wahrhaftig, da hat euer Vater Mahomet einen verzweifelten Bock geschossen, dass er euch den Wein verboten hat. Wenn das verwünschte Gesetz nicht wäre, du müsstest ein Gläschen mit mir trinken, du möchtest wollen oder nicht.für sichVielleicht beisst er an: er trinkt ihn gar zu gerne.
OSMINWein mit dir? Ja Gift -
PEDRILLOImmer Gift und Dolch, und Dolch und Gift! Lass doch den alten Groll einmal fahren und sey vernünftig. Sieh einmal, ein Paar Flaschen Cyperwein! - Ah -er zeigt ihm zwo Flaschen, wovon die eine grösser als die andere istdie sollen mir treflich schmecken!
OSMINfür sichWenn ich trauen dürfte?
PEDRILLODas ist ein Wein, das ist ein Wein!er setzt sich nach türkischer Art auf die Erde, und trinkt aus der kleinen Flasche
OSMINKost einmal die grosse Flasche auch.
PEDRILLODenkst wohl gar, ich habe Gift hinein gethan? Ha! lass dir keine grauen Haare wachsen. Es verlohnte sich der Mühe, dass ich deinetwegen zum Teufel führe. Da sieh, ob ich trinke.er trinkt aus der grossen Flasche ein wenigNun hast du noch Bedenken? traust mir noch nicht? Pfuy, Osmin! sollt'st dich schämen - Da nimm!er giebt ihm die grosse FlascheOder willst du die kleine?
OSMINNein, lass nur, lass nur! Aber wenn du mich verräthst…sieht sich sorgfältig um.
PEDRILLOAls wenn wir einander nicht weiter brauchten. Immer frisch! Mahomet liegt längst aufm Ohr, und hat nöthiger zu thun, als sich um deine Flasche Wein zu bekümmern.
Nr. 14 - Duett
PEDRILLOVivat, Bachus!Bachus lebe!Bachus war ein braver Mann!
OSMINOb ichs wage?Ob ich trinke?Ob's wohl Alla sehen kann?
PEDRILLOWas hilft das Zaudern?Hinunter, hinunter!Nicht lange, nicht lange gefragt!
OSMINNun war's geschehen,Nun war's hinunter:Das heiss ich, das heiss ich gewagt!
BEYDEEs leben die Mädchen,Die Blonden, die Braunen,Sie leben hoch!
PEDRILLODas schmeckt treflich!
OSMINDas schmeckt herrlich!
BEYDEAh! das heiss ich Göttertrank!Vivat Bachus,Bachus lebe,Bachus, der den Wein erfand!
PEDRILLOWahrhaftig, das muss ich gestehen, es geht doch nichts über den Wein. Wein ist mir lieber, als Geld und Mädchen. Bin ich verdrüsslich, mürrisch, launisch: hurtig nehm' ich meine Zuflucht zur Flasche; und kaum seh' ich den ersten Boden: weg ist all mein Verdruss! - Meine Flasche macht mir kein schiefes Gesicht, wie mein Mädchen, wenn ihr der Kopf nicht auf dem rechten Flecke steht. Und schwatzt mir von Süssigkeit der Liebe und des Ehestands, was ihr wollt: Wein auf der Zunge geht über alles!
Osmin fängt bereits an die Wirkung des Weins und des Schlaftrunks zu spüren, und wird bis zu Ende des Auftritts immer schläfriger und träger, doch darf's der Schauspieler nicht übertreiben, und muss nur immer halb träumend und schlaftrunken bleiben.
OSMINDas ist wahr - Wein - Wein - ist ein schönes Getränke; und unser grosser - Prophet mag mirs nicht übel nehmen - Gift und Dolch! es ist doch eine hübsche Sache um den Wein! - Nicht - - Bruder Pedrillo?
PEDRILLORichtig, Bruder Osmin, richtig!
OSMINMan wird gleich so - munter -er nickt zuweilenso vergnügt - so aufgeräumt - - Hast du nichts mehr, Bruder?er langt auf eine lächerliche Art nach einer zwoten Flasche, die Pedrillo ihm reicht.
PEDRILLOHör du, Alter: trink mir nicht zu viel; es kommt einem in Kopf.
OSMINTrag doch keine - Sorge, ich bin so - so - nüchtern wie möglich - Aber das ist wahr -er fängt an, auf die Erde hin und her zu wankenes schmeckt - - vortreflich!
PEDRILLOfür sichEs wirkt, Alter; es wirkt!
OSMINAber verrathen musst du mich nicht - Brüderchen - verrathen - denn - wenns Mahomet - - nein, nein - der Bassa wüsste - - denn siehst du - - - liebes Blondchen - - ja oder nein! - -
PEDRILLOfür sichNun wirds Zeit, ihn fortzuschaffen!lautNun komm, Alter, komm, wir wollen schlafen gehn!er hebt ihn auf.
OSMINSchlafen? - Schämst du dich nicht? - - Gift und Dolch! Wer wird denn so schläfrig seyn - es ist ja kaum Morgen -
PEDRILLOHo ho, die Sonne ist schon hinunter! - Komm, komm, dass uns der Bassa nicht überrascht!
OSMINim AbführenJa, ja, - - eine Flasche - guter - Bassa - geht über - - alles! - gute Nacht - - Brüderchen - gute Nacht. -
Pedrillo führt ihn hinein, kommt aber gleich wieder zurück.
NEUNTER AUFTRITTPedrillo, hernach Belmonte, Konstanze, Blonde.
PEDRILLOmachts Osmin nachGute Nacht - Brüderchen - gute Nacht! Hahahaha, alter Eisenfresser! erwischt man dich so? Gift und Dolch! - Du hast deine Ladung! Nur fürcht' ich, ists noch zu zeitig am Tage; bis Mitternacht sind noch drey Stunden, und da könnt er leicht wieder ausgeschlafen haben. - - Ach! kommen Sie, kommen Sie, liebster Herr! Unser Argus ist blind; ich hab' ihn tüchtig zugedeckt.
BELMONTEO dass wir glücklich wären! - Aber sag': ist Konstanze noch nicht hier?
PEDRILLOEben kommt sie da den Gang herauf. Reden Sie alles mit ihr ab: aber fassen Sie sich kurz; denn der Verräther schläft nicht immer.
Während der Unterredung des Belmonte mit Konstanzen unterhält sich Pedrillo mit Blonden, der er durch Pantomime den ganzen Auftritt mit dem Osmin vormacht, und jenen nachahmt; zuletzt unterrichtet er sie ebenfalls, dass er um Mitternacht mit einer Leiter unter ihr Fenster kommen wolle, um sie zu entführen.
KONSTANZEO mein Belmonte!
einander im Arme
BELMONTEO Konstanze!
KONSTANZEIsts möglich? - Nach so viel Tagen der Angst, nach so viel ausgestandnen Leiden, dich wieder in meinen Armen -
BELMONTEO, dieser Augenblick versüsst allen Kummer, macht mich all meinen Schmerz vergessen -
KONSTANZEHier will ich an deinem Busen liegen und weinen! - Ach, jetzt fühl ich's - die Freude hat auch ihre Thränen!
Nr. 15 - Arie
BELMONTEWenn der Freude Thränen fliessen,Lächelt Liebe dem Geliebten hold!Von den Wangen sie zu küssen,Ist der Liebe schönster, grösster Sold.Ach Konstanze! dich zu sehen,Dich voll Wonne, voll EntzückenAn mein treues Herz zu drücken,Lohnt fürwahr nicht Krösus Pracht!Dass wir uns niemals wiederfinden!So dürfen wir nicht erst empfindenWelchen Schmerz die Trennung macht.
Ich hab hier ein Schiff in Bereitschaft; um Mitternacht, wenn alles schläft, komm ich an dein Fenster; und dann sey die Liebe unser Schutzengel!
KONSTANZEMit tausend Freuden! was wollt ich nicht mit dir wagen? Ich erwarte dich -
PEDRILLOAlso, liebes Blondchen, pass ja hübsch auf, hörst du's?
BLONDESorge für mich nicht. Das wär das erste Abentheuer, das ein Mädchen verschlafen hätte.
PEDRILLODu wirft's schon merken, wenn du so was Gesungenes hörst, wie's so meine Art des Abends immer ist; dann pass auf, und dann mit einem Sprung ins Schiff! - Nur hübsch Muth gefasst, und nicht verzagt: Wer alles zu verlieren hat, muss alles wagen!
KONSTANZEWenn es aber nur glücklich abläuft!
BELMONTEWir wollen's hoffen; die Liebe wird unsre Geleiterinn seyn.
Nr. 16 - Quartett
KONSTANZEAch Belmonte! ach mein Leben!
BELMONTEAch Konstanze! ach mein Leben!
KONSTANZEIst es möglich? welch' Entzücken!Dich an meine Brust zu drückenNach so vieler Tage Leid.
BELMONTEWelche Wonne, dich zu finden!Nun muss aller Kummer schwinden,O! wie ist mein Herz erfreut!
KONSTANZESieh die Freudenthräne fliessen.
BELMONTEHolde! lass hinweg sie küssen!
KONSTANZEDass es doch die letzte sey!
BELMONTEJa, noch heute wirst du frey.
PEDRILLOAlso Blondchen hast's verstanden?Alles ist zur Flucht vorhanden,Um Schlag zwölfe sind wir da.
BLONDEUnbesorgt! es wird nichts fehlen,Die Minuten werd' ich zählen,Wär' der Augenblick schon da!
ALLE VIEREndlich scheint die HoffnungssonneHell durchs trübe Firmament!Voll' Entzücken, Freud' und Wonne,Sehn wir unsrer Leiden End!
BELMONTEDoch, ach! bey aller LustEmpfindet meine BrustNoch manch' geheime Sorgen!
KONSTANZEWas ist es, Liebster, sprich,Geschwind erkläre dich,O halt mir nichts verborgen!
BELMONTEMan sagt: du seyst - - -
KONSTANZENun weiter?
Belmonte und Konstanze sehn einander still' schweigend und furchtsam an.
PEDRILLOer zeigt, dass er wage gehenkt zu werdenDoch Blondchen, ach! die Leiter!Bist du wohl so viel werth?
BLONDEHanns Narr! sch nappt's bey dir über?Ey hättest du nur lieberDie Frage umgekehrt.
PEDRILLODoch Herr Osmin - -
BLONDELass hören!
KONSTANZE.Willst du dich nicht erklären?
zugleich
BELMONTEIch will. Doch zürne nicht,Wenn ich nach dem Gerücht,So ich gehört, es wage,Dich zitternd, bebend frage,Ob du den Bassa liebst?
KONSTANZEsie weintO! wie du mich betrübst!
PEDRILLOHat nicht Osmin etwan,Wie man fast glauben kan,Sein Recht als Herr probiretUnd bey dir exerciret?Dann wär's ein schlechter Kauf.
BLONDEgiebt ihm eine OhrfeigeDa, nimm die Antwort drauf.
PEDRILLOhält sich die WangeNun bin ich aufgeklärt.
BELMONTEkniet niederKonstanze! ach vergieb!
BLONDEgeht zornig von PedrilloDu bist mich gar nicht werth.
KONSTANZEseufzend sich von Belmonte wegwendendOb ich dir treu verblieb!
anfangs allein, dann alle Viere.
BLONDEzu KonstanzeDer Schlingel fragt sich an:Ob ich ihm treu geblieben?
KONSTANZEzu BlondeDem Belmont sagte man,Ich soll den Bassa lieben.
PEDRILLOhält sich die BackeDass Blonde ehrlich sey,Schwör' ich bey allen Teufeln.
BELMONTEzu PedrilloKonstanze ist mir treu,Daran ist nicht zu zweifeln.
zugleich
BLONDE UND KONSTANZEWenn unsrer Ehre wegenDie Männer Argwohn hegen,Verdächtig auf uns sehn,Das ist nicht auszustehn.
BELMONTE UND PEDRILLOSo bald sich Weiber kränken,Dass wir sie untreu denken,Dann sind sie wahrhaft treu,Von allem Vorwurf frey.
zugleich
PEDRILLOLiebstes Blondchen! ach! verzeihe,Sieh, ich bau auf deine TreueMehr itzt als auf meinen Kopf!
BLONDENein, das kann ich dir nicht schenken,Mich mit so was zu verdenken,Mit dem alten dummen Tropf!
BELMONTEAch Konstanze! ach mein Leben,Könntest du mir doch vergeben,Dass ich diese Frage that?
KONSTANZEBelmont! wie du konntest glauben,Dass man dir das Herz könnt rauben?Das nur dir geschlagen hat!
PEDRILLO UND BELMONTEAch verzeihe!Ich bereue!
KONSTANZE UND BLONDEIch verzeiheDeiner Reue!
ALLE VIEREWohl, es sey nun abgethan!Es lebe die Liebe!Nur sie sey uns theuer,Nichts fache das FeuerDer Eifersucht an.
Alle ab
DRITTER AUFZUG
Platz vor dem Palaste des Bassa Selim; auf einer Seite der Palast des Bassa; gegenüber die Wohnung des Osmin; hinten Aussicht aufs Meer. Es ist Mitternacht.
ERSTER AUFTRITTPedrillo, Klaas der eine Leiter bringt.
PEDRILLOHier, lieber Klaas, hier leg sie indess nur nieder, und hole die zwote vom Schiff. Aber nur hübsch leise, dass nicht viel Lerm gemacht wird: es geht hier auf Tod und Leben.
KLAASLass mich nur machen, ich versteh das Ding auch ein bischen, wenn wir sie nur erst am Bord haben.
PEDRILLOAch lieber Klaas! wenn wir mit unsrer Beute glücklich nach Spanien kommen: ich glaube, Don Belmonte lässt dich in Gold einfassen.
KLAASDas möchte wohl ein bischen zu warm aufs Fell gehn; doch das wird sich schon geben. Ich hole die Leiter.geht ab
PEDRILLOAch! wenn ich sagen sollte, dass mirs Herz nicht klopfte, so sagt' ich eine schreckliche Lüge. Die verzweifelten Türken verstehen nicht den mindesten Spass; und ob der Bassa gleich ein Renegat ist, so ist er, wenns aufs Kopfab ankommt, doch ein völliger Türke.
Klaas bringt die zwote Leiter.
PEDRILLOSo, guter Klaas, und nun lichte die Anker, und spann alle Segel auf: denn eh eine halbe Stund vergeht, hast du deine völlige Ladung.
KLAASBring sie nur hurtig, und dann lass mich sorgen.geht ab
ZWEITER AUFTRITTBelmonte, Pedrillo.
PEDRILLOAch! - ich muss Athem holen - Es zieht mir's Herz so eng zusammen, als wenn ichs grösste Schelmstück vorhätte - Ach wo mein Herr auch bleibt! -
BELMONTEruft leisePedrillo! Pedrillo!
PEDRILLOWie gerufen!
BELMONTEIst alles fertig gemacht?
PEDRILLOAlles! Jetzt will ich ein wenig um den Palast herum spioniren, wie's aussieht. Singen Sie indessen eins. Ich hab das so alle Abende gethan; und wenn Sie da auch jemand gewahr wird, oder begegnet: denn alle Stunden macht hier eine Janitscharenwache die Runde; so hat's nichts zu bedeuten, sie sind das von mir schon gewohnt; es ist fast besser, als wenn man Sie so stille hier fände.
BELMONTELass mich nur machen, und komm bald wieder.
Pedrillo geht ab
DRITTER AUFTRITTBelmonte, allein.
BELMONTEO Konstanze, Konstanze! wie schlägt mir das Herz! Je näher der Augenblick kommt, desto ängstlicher zagt meine Seele; ich fürchte und wünsche, bebe und hoffe. O Liebe, sey du meine Leiterinn!
Nr. 17 - Arie
BELMONTEIch baue ganz auf deine Stärke,Vertrau' o Liebe! deiner Macht!Denn, ach! was wurden nicht für WerkeSchon oft durch dich zu Stand gebracht!Was aller Welt unmöglich scheint,Wird durch die Liebe doch vereint.
VIERTER AUFTRITTBelmonte, und Pedrillo.
PEDRILLOAlles liegt auf dem Ohr; es ist alles so ruhig, so stille als den Tag nach der Sündfluth.
BELMONTENun so lass uns sie befreyen. Wo ist die Leiter?
PEDRILLONicht so hitzig. Ich muss erst das Signal geben.
BELMONTEWas hindert dich denn es nicht zu thun? Mach fort.
PEDRILLOsieht nach der UhrEben recht, Schlag zwölfe. Gehen Sie dort an die Ecke, und geben Sie wohl acht, dass wir nicht überrascht werden.
BELMONTEZaudre nur nicht!geht ab
PEDRILLOindem er seine Mandoline hervor holtEs ist doch um die Herzhaftigkeit eine erzläppische Sache. Wer keine hat, schafft sich mit aller Mühe keine an! Was mein Herz schlägt! Mein Papa muss ein Erzpoltron gewesen seyn.fängt an zu spielenNun so sey es denn gewagt!singt und akkompagnirt sich
Nr. 18 - Romanze
PEDRILLO1.In Mohrenland gefangen warEin Mädel hübsch und fein;Sah roth und weiss, war schwarz von Haar,Seufzt' Tag und Nacht und weinte gar;Wollt' gern erlöset seyn.
2.Da kam aus fremdem Land daherEin junger Rittersmann;Den jammerte das Mädchen sehr;Jach rief er, wag' ich Kopf und Ehr,Wenn ich sie retten kann.
Noch geht alles gut, es rührt sich noch nichts.
BELMONTEkommt hervorMach ein Ende, Pedrillo.
PEDRILLOAn mir liegt es nicht, dass sie sich noch nicht zeigen. Entweder schlafen sie fester als jemals; oder der Bassa ist bey der Hand. Wir wollens weiter versuchen. Bleiben Sie nur auf Ihren Posten.
Belmonte geht wieder fort.
PEDRILLO
3.Ich komm zu dir in finstrer Nacht,Lass, Liebchen, husch mich ein!Ich fürchte weder Schloss noch Wacht;Holla! horch auf! um Mitternacht,Sollst du erlöset seyn.
4.Gesagt, gethan; Glock zwölfe standDer tapfre Ritter da;Sanft reicht sie ihm die weiche Hand,Früh man die leere Zelle fand;Fort war sie, hopsasa!
Pedrillo hustet einigemal, Konstanze öffnet das Fenster.
PEDRILLOSie macht auf, Herr! Sie macht auf.
BELMONTEIch komme, ich komme!
KONSTANZEoben am FensterBelmonte!
BELMONTEKonstanze! hier bin ich! hurtig die Leiter!
Pedrillo stellt die Leiter an Konstanzens Fenster, Belmonte steigt hinein; Pedrillo hält die Leiter.
PEDRILLOWas das für ein abscheuliches Spektakel macht.hält die Hand aufs HerzEs wird immer ärger, weil es nun Ernst wird. Wenn sie mich hier erwischten, wie schön würden sie mit mir abtrollen, zum Kopfabschlagen, zum Spiessen, oder zum Hängen. Je nu! der Anfang ist einmal gemacht, itzt ists nicht mehr aufzuhalten, es geht nun schon einmal aufs Leben oder auf den Tod los.
Belmonte kommt mit Konstanzen unten zur Thüre heraus.
BELMONTENun, holder Engel! nun hab' ich dich wieder, ganz wieder; Nichts soll uns mehr trennen.
KONSTANZEWie ängstlich schlägt mein Herz! kaum bin ich im Stande mich aufrecht zu halten: wenn wir nur glücklich entkommen.
PEDRILLONur fort! nicht geplaudert! sonst könnt' es freylich schief gehen, wenn wir da lange Rath halten, und seufzen.stösst Belmonten und Konstanzen fortNur frisch nach dem Strande zu! ich komme gleich nach.
Belmonte und Konstanze ab.
PEDRILLONun Kupido, du mächtiger Herzensdieb, halte mir die Leiter, und hülle mich sammt meiner Geräthschaft in einen dicken Nebel ein!er hat unter der Zeit die Leiter an Blondens Fenster gelegt, und ist hinaufgestiegen.Blondchen, Blondchen! mach auf ums Himmels willen, zaudre nicht! es ist um Hals und Kragen zu thun.
Es wird das Fenster geöffnet, er steigt hinein.
FÜNFTER AUFTRITTOsmin und ein schwarzer Stummer öfnen die Thüre von Osmins Hause, wo Pedrillo hineingestiegen ist. Osmin noch halb schlaftrunken hat eine Laterne. Der Stumme giebt Osmin durch Zeichen zu verstehen, dass es nicht richtig sey; dass er Leute gehört habe, u.s.w.
OSMINLärmen hörtest du? was kanns denn geben? vielleicht Schwärmer? Geh, spionire, bringe mir Antwort.
Der Stumme lauscht ein wenig herum; endlich wird er die Leiter an Osmins Fenster gewahr, erschrickt und zeigt sie Osmin, der wie im Taumel mit der Laterne in der Hand an seine Hausthüre gelehnt, sieht und nickt.
OSMINGift und Dolch! was ist das? wer kann ins Haus steigen? Das sind Diebe, oder Mörder.Er tummelt sich herum: weil er aber noch halb schlaftrunken ist, stösst er sich hier und da etc.
OSMINHurtig, hole die Wache! ich will unterdessen lauren.
Der Stumme ab; Osmin setzt sich auf die Leiter mit der Laterne in der Hand und nickt ein. Pedrillo kömmt rückwärts wieder zum Fenster herausgestiegen, und will die Leiter wieder herunter. Blonde oben am Fenster wird Osmin gewahr und ruft Pedrillo zu.
BLONDEO Himmel, Pedrillo! wir sind verloren.
PEDRILLOsieht sich um, und so wie er Osmin gewahr wird, stutzt er, besieht ihn, und steigt wieder zum Fenster hineinAh! welcher Teufel hat sich wider uns verschworen.
OSMINauf der Leiter dem Pedrillo nach, ruftBlondchen! Blondchen!
PEDRILLOim Hineinsteigen zu BlondchenZurück, nur zurück!
OSMINsteigt wieder zurückWart, Spitzbube, du sollst mir nicht entkommen. Hilfe Hilfe! Wache, hurtig, hier giebts Räuber! herbey, herbey!
Pedrillo kommt mit Blonden unten zur Hausthüre heraus, sieht schüchtern nach der Leiter, und schleicht sich dann mit Blonden darunter weg.
PEDRILLO UND BLONDEim AbgehenO Himmel steh uns bey! sonst sind wir verloren.
OSMINZu Hilfe! zu Hilfe! geschwind!er will nach
WACHEmit Fackeln, halten Osmin aufHalt, halt! Wohin?
OSMINDorthin, dorthin.
WACHEWer bist du?
OSMINNur nicht lange gefragt, sonst entkommen die Spitzbuben. Seht ihr denn nicht? hier ist noch die Leiter.
WACHEDas sehn' wir: kannst nicht du sie angelegt haben?
OSMINGift und Dolch! kennt ihr mich denn nicht? ich bin Oberaufseher der Gärten beym Bassa. Wenn ihr noch lange fragt, so hilft euer Kommen nichts.
Ein Theil der Wache bringen Pedrillo und Blonden zurück.
OSMINAh endlich! Gift und Dolch! seh' ich recht! ihr beyde? warte, spitzbübischer Pedrillo, dein Kopf soll am längsten fest gestanden seyn.
PEDRILLOBrüderchen, Brüderchen! wirst doch Spass verstehen? ich wollt' dir dein Weibchen nur ein wenig spazieren führen, weil du heute dazu nicht aufgelegt bist. Du weisst schonheimlich zu Osminwegen des Cyperweins.
OSMINSchurke, glaubst du mich zu betäuben? hier verstehe ich keinen Spass; dein Kopf muss herunter, so wahr ich ein Muselmann bin.
PEDRILLOUnd hast du einen Nutzen dabey? wenn ich meinen Kopf verliere, sitzt deiner um so viel fester?
Ein anderer Theil der Wache auch mit Fackeln bringen Belmonte und Konstanze.
BELMONTEwidersetzt sich nochSchändliche, lasst mich los!
WACHESachte, junger Herr! sachte! uns entkömmt man nicht so geschwinde.
OSMINSieh da! die Gesellschaft wird immer stärker. Hat der Herr Baumeister auch wollen spazieren gehen? O ihr Spitzbuben! Hatte ich heute nicht recht,zu Belmontedass ich dich nicht in's Haus lassen wollte? nun wird der Bassa sehen, was für sauberes Gelichter er um sich hat.
BELMONTEDas bey Seite! lass hören, ob mit euch ein vernünftig Wort zu sprechen ist? Hier ist ein Beutel mit Zechinen, er ist euer, und noch zweymal so viel; lasst mich los.
KONSTANZELasst euch bewegen!
OSMINIch glaube, ihr seyd besessen? euer Geld brauchen wir nicht, das bekommen wir ohnehin: eure Köpfe wollen wir.zur WacheSchleppt sie fort zum Bassa!
BELMONTE UND KONSTANZEHabt doch Erbarmen! lasst euch bewegen!
OSMINUm nichts in der Welt! Ich habe mir längst so einen Augenblick gewünschet. Fort, fort!
Die Wache führt Belmont und Konstanzen fort, samt Pedrillo und Blonden.
Nr. 19 - Arie
OSMINalleinO! wie will ich triumphiren!Wenn sie euch zum Richtplatz führenUnd die Hälse schnüren zu;Hüpfen will ich, lachen, springenUnd ein Freudenliedchen singenDenn nun hab' ich vor euch Ruh.Schleicht nur säuberlich und leiseIhr verdammten Harems-Mäuse,Unser Ohr entdeckt euch schon;Und eh' ihr uns könnt entspringen,Seht ihr euch in unsern Schlingen,Und erhaschet euren Lohn.O! wie will ich triumphiren etc. etc.
Geht ab.
SECHSTER AUFTRITTZimmer des Bassa.
Selim mit Gefolge, hernach Osmin, Belmonte, Konstanze und Wache.
SELIMzu einem OffiziereGeht, unterrichtet euch, was der Lärm im Palast bedeutet; er hat uns im Schlaf aufgeschreckt, und lasst mir Osmin kommen.Der Offizier will abgehen, indem kommt Osmin zwar hastig, doch noch ein wenig schläfrig
OSMINHerr! - Verzeih, dass ich es so früh wage, deine Ruhe zu stören.
SELIMWas giebts, Osmin, was giebts? Was bedeutet der Aufruhr?
OSMINHerr, es ist die schändlichste Verrätherey in deinem Palast -
SELIMVerrätherey?
OSMINDie niederträchtigen Christensklaven entführen uns die Weiber. Der grosse Baumeister, den du gestern auf Zureden des Verräthers Pedrillo aufnahmst, hat deine schöne Konstanze entführt.
SELIMKonstanze? entführt? Ah, setzt ihnen nach!
OSMINO 's ist schon dafür gesorgt! Meiner Wachsamkeit hast du es zu danken, dass ich sie wieder beym Schopfe gekriegt habe. Auch mir selbst hatte der spitzbübische Pedrillo eine gleiche Ehre zugedacht, und er hatte mein Blondchen schon beym Kopfe, um mit ihr in alle Welt zu reisen. - Aber Gift und Dolch! er soll mirs entgelten! - Sieh, da bringen sie sie!
Belmonte und Konstanze werden von der Wache hereingeführt.
SELIMAh, Verräther! Ists möglich? - Ha, du heuchlerische Sirene! War das der Aufschub, den du begehrtest? Missbrauchtest du so die Nachsicht, die ich dir gab, um mich zu hintergehen?
KONSTANZEIch bin strafbar in deinen Augen, Herr, es ist wahr: aber es ist mein Geliebter, mein einziger Geliebter, dem lang schon dieses Herz gehört. O nur für ihn, nur um seinetwillen fleht' ich Aufschub. - O lass mich sterben! gern, gern will ich den Tod erdulden: aber schone nur sein Leben -
SELIMUnd du wagst's Unverschämte, für ihn zu bitten?
KONSTANZENoch mehr: für ihn zu sterben!
BELMONTEHa, Bassa! Noch nie erniedrigte ich mich zu bitten, noch nie hat dieses Knie sich vor einem Menschen gebeugt: aber sich, hier lieg ich zu deinen Füssen; und flehe dein Mitleid an. Ich bin von einer grossen spanischen Familie, man wird alles für mich zahlen. Lasse dich bewegen, bestimme ein Lösegeld für mich und Konstanze so hoch du willst. Mein Name ist Lostados.
SELIMstaunendWas hör' ich! der Kommandant von Oran, ist dir der bekannt?
BELMONTEDas ist mein Vater.
SELIMDein Vater? welcher glückliche Tag! Den Sohn meines ärgsten Feindes in meiner Macht zu haben! kann was angenehmers seyn! Wisse, Elender! Dein Vater, dieser Barbar ist Schuld, dass ich mein Vaterland verlassen musste. Sein unbiegsamer Geiz entriss mir eine Geliebte, die ich höher als mein Leben schätzte. Er brachte mich um Ehrenstellen, Vermögen, um alles. Kurz, er zernichtete mein ganzes Glück. Und dieses Mannes einzigen Sohn habe ich nun in meiner Gewalt! Sage er an meiner Stelle, was würde er thun?
BELMONTEganz niedergedrücktMein Schicksal würde zu beklagen seyn.
SELIMDas soll es auch seyn. Wie er mit mir verfahren ist, will ich mit dir verfahren. Folge mir, Osmin, ich will dir Befehle zu ihren Martern geben.zu der WacheBewacht sie hier.
SIEBENTER AUFTRITTBelmonte und Konstanze.
Nr. 20 - Rezitativ und Duett
BELMONTEWelch ein Geschick! o Qual der Seele!Hat sich denn alles wider mich verschworen!Ach! Konstanze! durch mich bist du verloren!Welch eine Pein!
KONSTANZELass, ach Geliebter, lass dich das nicht quälen!Was ist der Tod? ein Uebergang zur Ruhe,Und dann, an deiner SeiteIst er Vorgeschmack der Seligkeit.
BELMONTEMeinetwegen sollst du sterben!Ach Konstanze! kann ich's wagen,Noch die Augen auszuschlagen?Ich bereite dir den Tod!
KONSTANZEBelmont! du stirbst meinetwegen,Ich nur zog dich ins Verderben,Und ich soll nicht mit dir sterben?Wonne ist mir dies Geboth!
BEYDEEdle Seele! dir zu lebenWar mein Wunsch und all mein Streben.Ohne dich ist mirs nur Pein,Länger auf der Welt zu seyn.
KONSTANZEIch will alles gerne leiden,
BELMONTERuhig sterb' ich, und mit Freuden,
BEYDEDa ich dir zur Seite bin.
KONSTANZEUm dich, Geliebter!
BELMONTEUm dich, Geliebte!
BEYDEGeb' ich gern mein Leben hin!
BEYDEO welche Seligkeit!Mit der Geliebten / dem Geliebten sterbenIst seliges Entzücken!Mit wonnevollen BlickenVerlässt man da die Welt.
ACHTER AUFTRITTPedrillo und Blonde werden von einem andern Theil der Wache hereingeführt; und die Vorigen.
PEDRILLOAch Herr! wir sind hin! An Rettung ist nicht mehr zu denken. Man macht schon alle Zubereitungen, um uns aus der Welt zu schaffen. Es ist erschrecklich, was sie mit uns anfangen wollen! Ich, wie ich im Vorbeygehen gehört habe, soll in Oel gesotten, und dann gespiesst werden. Das ist ein sauber Traktament! Ach! Blondchen! Blondchen! was werden sie wohl mit dir anfangen?
BLONDEDas gilt mir nun ganz gleich. Da es einmal gestorben seyn muss, ist mir alles recht.
PEDRILLOWelche Standhaftigkeit! Ich bin doch von gutem altchristlichen Geschlecht aus Spanien, aber so gleichgültig kann ich beym Tode nicht seyn! - - Weiss der Teufel ... Gott sey bey mir! wie kann mir auch itzt der Teufel auf die Zunge kommen?
LETZTER AUFTRITTDie Vorigen, Bassa Selim, Osmin voll Freuden und Gefolge.
SELIMNun Sklave! elender Sklave! zitterst du? erwartest du dein Urtheil?
BELMONTEJa Bassa mit so vieler Kaltblütigkeit, als Hitze du es aussprechen kannst. Kühle deine Rache an mir, tilge das Unrecht, so mein Vater dir angethan; - - ich erwarte alles, und tadle dich nicht.
SELIMEs muss also wohl deinem Geschlechte ganz eigen seyn Ungerechtigkeiten zu begehen, weil du das für so ausgemacht annimmst? Du betrügst dich. Ich habe deinen Vater viel zu sehr verabscheut, als dass ich je in seine Fusstapfen treten könnte. Nimm deine Freyheit, nimm Konstanzen, seegle in dein Vaterland, sage deinem Vater, dass du in meiner Gewalt warst, dass ich dich frey gelassen, um ihm sagen zu können, es wäre ein weit grösser Vergnügen eine erlittene Ungerechtigkeit durch Wohlthaten zu vergelten, als Laster mit Lastern tilgen.
BELMONTEHerr! ... du setzest mich in Erstaunen ...
SELIMihn verächtlich ansehendDas glaub ich. Zieh damit hin und werde du wenigstens menschlicher, als dein Vater, so ist meine Handlung belohnt.
KONSTANZEHerr! vergieb! Ich schätzte bisher deine edle Seele, aber nun bewundre ich ...
SELIMStill! Ich wünsche für die Falschheit, so Sie an mir begangen, dass Sie es nie bereuen möchten, mein Herz ausgeschlagen zu haben.im Begriff abzugehen
PEDRILLOtritt ihm in Weg und fällt ihm zu FüssenHerr! dürfen wir beyde Unglückliche es auch wagen, um Gnade zu flehen? Ich war von Jugend auf ein treuer Diener meines Herrn ...
OSMINHerr! beym Alla! lass dich ja nicht von dem verwünschten Schmarotzer hintergehn! Keine Gnade! Er hat schon hundertmal den Tod verdient.
SELIMEr mag ihn also in seinem Vaterlande suchen.zur WacheMan begleite alle viere an das Schiff.giebt Belmonte ein PapierHier ist euer Passport.
OSMINWie! meine Blonde soll er auch mitnehmen?
SELIMscherzhaftAlter! sind dir deine Augen nicht lieb? - Ich sorge besser für dich als du denkst.
OSMINGift und Dolch! Ich möchte bersten!
SELIMBeruhige dich. Wen man durch Wohlthun nicht für sich gewinnen kann, den muss man sich vom Halse schaffen.
Nr. 21 - Vaudeville
BELMONTENie werd' ich deine Huld verkennen,Mein Dank bleibt ewig dir geweiht!An jedem Ort, zu jeder ZeitWerd' ich dich gross und edel nennen.Wer so viel Huld vergessen kann,Den seh' man mit Verachtung an.
ALLEWer so viel Huld etc.
KONSTANZENie werd' ich im Genuss der LiebeVergessen, was der Dank gebeut,Mein Herz, der Liebe nun geweiht,Hegt auch dem Dank geweihte Triebe.Wer so viel Huld etc.
PEDRILLOWenn ich es je vergessen könnte,Wie nah' ich am Erdrosseln war,Und all der anderen Gefahr:Ich lief', als ob der Kopf mir brennte.Wer so viel Huld etc.
BLONDEHerr Bassa, ich sag' recht mit FreudenViel Dank für Kost und Lagerstroh,Doch bin ich recht von Herzen froh,Dass er mich lässt von dannen scheiden.auf Osmin zeigendDenn seh' er nur das Thier dort an,Ob man so was ertragen kann.
OSMINVerbrennen sollte man die Hunde,Die uns so schändlich hintergehn;Es ist nicht länger anzusehn,Mir starrt die Zunge fast im Munde,Um ihren Lohn zu ordnen an:Erst geköpft,Dann gehangen,Dann gespiesstAuf heisse Stangen;Dann verbrannt,Dann gebundenUnd getaucht,Zuletzt geschunden.läuft voll Wuth ab
ALLENichts ist so hässlich, als die Rache;Hingegen menschlich, gütig seyn;Und ohne Eigennutz verzeihn,Ist nur der grossen Seelen Sache.Wer dieses nicht erkennen kann,Den seh' man mit Verachtung an.
DIE WACHEBassa Selim lebe lange,Ehre sey sein Eigenthum,Seine holde Scheitel prangeVoll von Jubel, voll von Ruhm.